Mein Ohr am Mund des Volkes

 

Wenn man tagelang an einem Messestand steht, kriegt man viel erzählt. Vieles muss man für sich behalten, man kann nicht alles sagen, nicht alles berichten, was die Leute so klagen, worüber sie sich aufregen.

Und man kann viel berichten und sich über viel aufregen, wenn es um das österreichische Waffengesetz geht, das ja gar kein österreichisches Gesetz mehr ist sondern ein EU-Gesetz, gespickt mit einigen hausgemachten Gemeinheiten.

Nochmals: So schlecht ist das Gesetz immer noch nicht. Man braucht ja nur über die Grenze zu schauen um festzustellen, dass es ärger sein kann. Kein wirklicher Trost. Aber der Vollzug ist in den letzten Jahren völlig aus dem Ruder gelaufen. Seltsamerweise genau in der Zeit, in der die ÖVP das Innenministerium innehatte und immer noch innehat.

Es geht wieder einmal um den Waffenpass.

Der Gesetzgeber hatte eine genaue Vorstellung davon, was ein Waffenpass sein soll: Die Möglichkeit für den Bürger, sich gegen einen rechtswidrigen Angriff zur Wehr zu setzen. Man darf ihm nicht nur die rechtliche Deckung für die Notwehr geben, nein, man muss ihm auch die Mittel zu dieser Gegenwehr gestatten.

Das Gesetz lässt keinen Zweifel zu und insofern ist es ein gutes Gesetz: Wer einer Gefahr ausgesetzt sein könnte, der man am zweckmäßigsten mit dem Einsatz einer Schusswaffe begegnen kann, der hat Anspruch auf einen Waffenpass. So weit, so gut. Die Praxis ist inzwischen eine andere.

Im Gesetz 1967 ist diese Bestimmung erst einmal drinnen gestanden. Damals war Österreich ein sicheres Land. Das ist es längst nicht mehr. Bestimmte Berufsgruppen, etwa Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, aber auch Ärzte oder Apotheker haben damals ohne weiteres einen solchen Waffenpass bekommen, Juweliere, Leute mit einigem Bargeld unterwegs ebenso. Und Angehörige der Exekutive jedenfalls – warum auch nicht. Das war selbstverständlich.

Geht alles längst nicht mehr. Österreich ist ein unsicheres Land geworden. Tagtäglich werden Leute überfallen, Banken ausgeraubt, Geschäfte geplündert, Einbruchsopfer gefoltert, unschuldige Menschen, auch Frauen und Kinder, nieder geprügelt. Manche Gegenden sind zu „No-Go-Areas“ geworden, wo niemand, dem sein Leben, seine Gesundheit etwas wert ist, unterwegs sein sollte. Das Verbrechen beherrscht die Stadt, unser ganzes Land. Die Polizei hilft nicht, kann nicht helfen, ist schlecht ausgerüstet, kaputt gespart, wird von den eigenen Vorgesetzten behindert, von den Medien an den Pranger gestellt.

Und in diesem Sumpf des Verbrechens werden die Opfer zusätzlich wehrlos gemacht. Waffenpässe gibt es praktisch nicht mehr. Die Behörden erfinden die fadenscheinigsten Ausreden um Waffenpässe zu verweigern, kein Argument ist zu dumm, kein Vorwand zu schäbig.

Und das neueste: Jetzt bekommen sogar Polizisten und Justizwachebeamte keinen Waffenpass mehr. Natürlich dürfen sie im Dienst eine Waffe tragen, sie müssen das sogar, aber ist der Dient vorbei, heißt es, die Waffe brav abgeben und für den Privatbereich wird diesen Leuten – das sind Staatsdiener wohlgemerkt – das Tragen einer privaten Waffe verweigert.

Das jüngste Skandalurteil eines skandalösen Verwaltungsgerichtshofes hat das zementiert: Ein Polizist bekommt nur dann einen Waffenpass, wenn er eine konkrete Gefährdung nachweist. Es genügt nicht, dass sich der Polizist in den Dienst stellen darf, ja stellen muss, wenn er eines Verbrechens gewahr wird. Nichts da, sagt das Höchstgericht. Wehrlos bleiben, das Verbrechen geschehen lassen, nicht einschreiten. Wo kämen wir denn da hin, wenn ein Polizist außer Dienst vielleicht einem überfallenen Bürger zu Hilfe kommen könnte? Wenn er einen Einbruch, einen Raub verhindern würde? So etwas gefällt einem Höchstgericht aber gar nicht! Es könnte ja – Gott behüte – ein Verbrecher dabei zu Schaden kommen!

Leute, ich habe mir viel anhören müssen auf dieser Messe und ich werde mir auch noch viel anhören müssen.

Die Exekutivbeamten, die mich da besucht haben, waren zornig und ich kann ihnen das nicht verdenken. Ich bin es auch.

Der Staat verrät seine Diener. Er fällt seinen Beamten in den Rücken. Er macht sie wehrlos. Er liefert sie den Verbrechern aus. Und er schützt die Verbrecher.

Das ist eine unglaubliche Sauerei. Und da müsste etwas geschehen. Und wenn nichts geschieht, wird irgendwann einmal etwas geschehen.

 

P.S.: Ich weiß, dass meine Beiträge von vielen Politikern gelesen werden. Sie sollen das lesen und sie sollen darüber nachdenken. Ich habe hier scharfe Worte gewählt und das ist mit voller Absicht geschehen. Denn ich will aufrütteln. Vielleicht ist noch Zeit.

Aber viel Zeit ist nicht mehr.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Georg Zakrajsek